Gesunde Einstellung: Länger leben, der Welt mehr geben
Papa war ein großer Schlaks. Einen Meter 92 groß und schlank wie rank. Das und die Zimt-roten Haare zeichnet alle unsere Familienmitglieder optisch aus. Mama war etwas erfüllter vom Leben, aber bei Leibe nicht mal annähernend mollig, barock oder rubensgezeichnet. Im Gegensatz zu meinem Vater, hatte sie einfach über ihrem Knochenbau etwas sanfte Struktur und die war sehr weiblich. Warum schreibe ich eigentlich war und hatte? Meinen geliebten Eltern leben noch, sie sind wunderbar jung geblieben und erfreuen sich bester Gesundheit. Bei meiner Mutter – angeheiratet – liegt es an der gesunden Ernährung mit bestem Zimt. Bei meinem Vater liegt es in der Zimt-Familie. Seit Ur-hoch-x-Opa werden alle Kinder am 29. Februar gezeugt. Und wir haben es danach so kuschelig gemütich und wohlig zimtig, dass wir alle erst auf den Tag genau ein Jahr später am 29. Februar zur Welt kommen. Und auch das nicht so ganz freiwillig, man muss uns mit einem Backblech voll Zimt-saftig duftenden und dampfenden Gebäcks herauslocken. Irgendwie wechseln wir so einfach nur olfaktorisch und geschmacklich sowie klimatisch unser Zuhause. Alles Weitere ist auch ziemlich clever in unserer Familie. Weil wir an einem Schalttag Geburtstag haben, werden wir nur alle vier Jahre ein Jahr älter. Darum werden wir mindestens viermal so alt, wie andere Menschen. Plus die Zeit, die uns die Ernährung mit bestem Zimt noch zusätzlich schenkt. Und dann, ja und dann kommt da nochmal obendrauf als Lebenszeitverlängerung die vitale Johannisbeere dazu, mit denen ich unser Zimtgebäck anreichere.
Aber zurück zu Mutti und Vati, die haben sich ja vor 160 Jahren ganz heiß ineinander verliebt.
Wie die Zimtstange die Zimtschnecke neckte
Die hochgeschossene, fast hagere Statur meines Vaters, sein Rotschopf und sein Name waren natürlich eine wunderbare Vorlage für einen Spitznamen. Die Zimtstange wurde er genannt. Natürlich nie in seinem Beisein, denn er war ja Geschäftsführer, Vorstand, Vertriebs- und Marketing-Leiter seiner Firma Zimt & Cie. Und war eine angesehene Respektsperson. Den Firmensitz hatte er mittlerweile nach Sankt Johann verlegt, dorthin, wo auf dem europäischen Festland die frühen Wurzeln unserer Familie lagen. Auch, weil er bei einem seiner Verkaufsgespräche mit einer Sankt Johanner Großbäckerei die Tochters des Inhabers kennen gelernt hatte, die dort für den Einkauf der Rohstoffe verantwortlich war. Wie so oft im Leben wussten alle Umstehenden schon viel früher, dass die beiden ein Paar werden würden, als die zwei selbst. Das lag vor allem daran, dass Cymthia, so hieß die Tochter, jedes Mal nahezu erstarrte und wie im Trance herumschlich, wenn mein Vater dreimal wöchentlich zu Besuch kam, nur um zu fragen, ob die Qualität der Ware noch immer zufriedenstellend sei. So wurde es in der Belegschaft zum geflügelten Wort, selbstredend nur hinter vorgehaltener Hand, dass „wenn die Zimtstange da ist, Cymthia sich gleich zur Zimtschnecke wandeln würde.“
Die Verlegenheit beim roten Schopf backen
Nachdem nun Zimtstange nahezu ein ganzes Jahr um seine Zimtschnecke herumgeschlichen war, fasste er sich ein Herz, was ihm fast in die Hose rutschte und wagte den Vorstoß: Auf Ur-hoch-x-Opas großem, alten Backblech legte mein Vater aus Zimtrollen folgende Worte:
„Verehrtes Fräulein Cymthia. Sie sind mir so zimtpathisch. Darf ich es wagen, Sie ins Kino einzuladen, sobald dies erfunden und erbaut worden ist?“
Nun war meine Mutter schon immer eine praktische Person und diesmal handelte sie platzend vor Glück und Freude entschlossen schnell. Ihre Antwort war verblüffend einfach, genial und süß: „Wir können auch demnächst schon mal zusammen essen gehen. Da können wir sogar reden. Das ist doch besser, als ein Stummfilm, der ja auch noch erfunden werden muss.“ Ab diesem Tag waren die beiden unzertrennlich und das romantischste Liebespaar der Film-Vorgeschichte.
Vom kleinen Früchtchen zum beerenstarken Bäckermeister
Dass ich anderthalb Jahre später geboren und in Mutterns elterlicher Großbäckerei auf Vaters altem Erb-Backblech zur Welt kam, ist eine Geschichte, die erzähle ich gerne ein anderes Mal. Aber dass dies so Tradition bei uns ist, das wisst ihr ja schon, wenn ihr hier etwas gestöbert habt.
Auch eine andere Tradition setzte mein Vater fort. Am Tage meiner Geburt pflanzte er 29 Johannisbeersträucher, so wie es sein Vater und dessen Vorväter schon immer getan hatten. Ich war jedoch der erste in unserer Familie, der auf die Idee kam, bei seiner Meisterprüfung zum Bäcker unser beliebtes Zimtgebäck mit dem Frucht-Gelee meiner Johannisbeeren zu füllen. Und so wurde ich schon vor meiner Pubertät stolzer Vater eines Zimthohann.